top of page
Logo-institut-kl

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis, eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes auf.  Die Erlebnisse (Traumata) können von längerer oder kürzerer Dauer sein, wie z.B. schwere Unfälle, Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen oder Kriegshandlungen, wobei die Betroffenen dabei Gefühle wie Angst und Schutzlosigkeit erleben und in Ermangelung ihrer subjektiven Bewältigungsmöglichkeiten Hilflosigkeit und Kontrollverlust empfinden.

Typisch für die PTBS sind die sogenannten Symptome des Wiedererlebens, die sich den Betroffenen tagsüber in Form von Erinnerungen an das Trauma, Tagträumen oder Flashbacks, nachts in Angstträumen aufdrängen. Gewissermaßen das Gegenstück dazu sind die Vermeidungssymptome, die meistens parallel zu den Symptomen des Wiedererlebens auftreten: emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit der Umgebung und anderen Menschen gegenüber, aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Manchmal können wichtige Aspekte des traumatischen Erlebnisses nicht mehr (vollständig) erinnert werden. Häufig kommt ein Zustand vegetativer Übererregtheit dazu, der sich in Form von Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhter Wachsamkeit oder ausgeprägter Schreckhaftigkeit manifestieren kann.

Die Störung entsteht als eine mögliche Folge auf das traumatische Ereignis. Solche auslösenden Erlebnisse können nahezu jeden Menschen in tiefe Verzweiflung stürzen, worin ein Unterschied zur Anpassungsstörung besteht, die durch Belastungsfaktoren jeglichen Schweregrades ausgelöst werden kann. Auch durch eine sekundäre Belastung, die durch traumatische Ereignisse verursacht wurde, die andere (z.B. nahe Angehörige) durchlebt haben, können Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung hervorrufen werden. Der neurobiologische Prozess, der bei einer PTBS im Gehirn abläuft, ist bislang nicht hinreichend erforscht.

Über die Hälfte aller Menschen werden im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert. Die Wahrscheinlichkeit, im Anschluss an ein traumatisches Erlebnis an einer PTBS zu erkranken, ist unter anderem abhängig von der Art des Traumas. Grundsätzlich ist das Risiko bei durch Menschen hervorgerufenen Traumatisierungen besonders hoch: Nach Vergewaltigung, anderen Gewaltverbrechen und Kriegstraumata erkranken bis zu einem Drittel der Betroffenen an einer PTBS. Naturkatastrophen, Brände, Chemie- oder Verkehrsunfälle und akute körperliche Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Krebserkrankung) können ebenfalls eine Posttraumatische Belastungsstörung auslösen, das relative Risiko liegt in solchen Fällen jedoch deutlich niedriger. Über alle Trauma-Arten gemittelt, erkranken etwa 10% aller von einem Trauma Betroffenen an einer PTBS. Die Lebenszeitprävalenz, d.h. die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine Posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln, liegt weltweit bei etwa 8%.

Die Begriffe Posttraumatische Belastungsstörung, Posttraumatisches Belastungssyndrom, Posttraumatisches Stresssyndrom oder das englische Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) werden gleichbedeutend verwendet. Die psychische Erkrankung wird gemäß der internationalen Klassifikation ICD-10 den Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen zugeordnet.

Ursachen

Eine Posttraumatische Belastungsstörung lässt sich immer auf ein bestimmtes schwerwiegendes Ereignis, ein Trauma zurückführen, dass der Betroffene als Opfer, Augenzeuge oder auch z.B. als Rettungshelfer erlebt hat. In der Psychologie versteht man unter einem Trauma das Erleben einer problematischen Situation oder einem bedrohlichen Ereignis, das mit Gefühlen von Angst und Hilflosigkeit und/oder schutzloser Preisgabe bzw. Ausgeliefertsein einhergeht, wobei der Betroffene subjektiv keine Möglichkeit der Bewältigung der Situation wahrnimmt. Als Folge dieses bedrohlichen Diskrepanz-Erlebnisses kann eine (dauerhafte) Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses auftreten und die psychische Störung auslösen.

 

Traumata können in zwei Typen eingeteilt werden:

TYP 1: Ein Trauma von kurzer Dauer und einmaligem Auftreten, z.B. Naturkatastrophen, Unfälle

TYP 2: Ein Trauma von längerer Dauer bzw. wiederholtem  Auftreten, z.B. Geiselhaft, Kriegsgefangenschaft, über längere Zeit andauernder sexueller Missbrauch

Typische Auslöser einer PTBS sind:

  • Kriege, Aufstände, Vertreibung, Flucht, Terroranschläge
     

  • Individuelle Gewalterfahrungen: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, Folter, Überfälle, Entführungen
     

  • Unfälle aller Art: Verkehrs-, Berufs-, Freizeit- und Sportunfälle
     

  • Naturkatastrophen: Brände, Blitzschläge, Überschwemmungen, Lawinen oder Erdbeben
     

  • Menschlich verursachte Katastrophen: Brände, Explosionen, Flugzeugabstürze, Zugskollisionen, Schiffshavarien, Industrieunfälle
     

  • Schwere Erkrankung, z.B. Herzinfarkt, Krebs, aber auch die Behandlung auf einer Intensiv-Station, Notfalloperationen

Genetische Faktoren erhöhen das Risiko, eine PTBS zu entwickeln. Einflussfaktoren aus der Umwelt und Lernerfahrungen spielen ebenfalls eine Rolle. Als Faktoren, die die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung fördern, gelten:

  • Mangelnde soziale Unterstützung durch Familie, Freunde oder Kollegen nach einem traumatischen Erlebnis
     

  • Jugendliches oder hohes Lebensalter, weibliches Geschlecht
     

  • Psychische Erkrankungen oder Traumata in der eigenen Vorgeschichte
     

  • Psychische Erkrankungen oder Traumata in der Familie
     

  • Lange Dauer und Schweregrad des Traumas
     

  • Niedriger sozio-ökonomischer Status

Symptome & Störungsbild

Symptome bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung sind: Wiedererleben, Vermeidung, Übererregung

Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann nach einem Trauma kurzfristig oder zeitlich verzögert auftreten.

 

In manchen Fällen können sogar Jahrzehnte bis zum Auftreten der Symptomatik vergehen.

Die typischen Symptome bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung sind:

  • Symptome des Wiedererlebens: sich aufdrängende, belastende Erinnerungen an das Trauma, Flashbacks, Alpträume
     

  • Vermeidungssymptome: emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit der Umgebung und anderen Menschen gegenüber, aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Manchmal können wichtige Aspekte des traumatischen Erlebnisses nicht mehr (vollständig) erinnert werden
     

  • Vegetative Übererregtheit: Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Wachsamkeit, übermäßige Schreckhaftigkeit

"Bei vielen Betroffenen ist das Selbst- und Weltbild erschüttert und das Vertrauen in andere Menschen nachhaltig gestört. Viele Betroffene leiden zudem unter schweren Schuld- oder Schamgefühlen oder unter Selbsthass. Die Leistungsfähigkeit in wichtigen Lebensbereichen ist eingeschränkt, die Bewältigung des Alltags wird für viele zur Qual."

Der Verlauf körperlicher Erkrankungen kann durch eine PTBS negativ beeinflusst werden. Das Risiko für Suchterkrankungen, Depressionen (Major Depression) und andere psychische Erkrankungen steigen bei einer PTBS stark an.

Therapie

Für die Überwindung einer PTBS ist die frühzeitige und umfassende Behandlung durch einen Psychiater unerlässlich. In aller Regel kann die Behandlung ambulant erfolgen. Ein Klinikaufenthalt kann beispielsweise erforderlich werden, wenn der Patient zusätzlich zur PTBS unter schweren depressiven Symptomen leidet, eine akute psychotische Störung oder akute Suizidgefahr vorliegt.

Die Behandlung besteht in erster Linie aus einer traumafokussierenden Psychotherapie, falls erforderlich mit medikamentöser Unterstützung. Ziel ist es, in einem Gesamtbehandlungsplan

  • dem Betroffenen zu helfen, Kontrolle über seine ungewollt auftretenden Erinnerungen zu erlangen,
     

  • Begleitsymptome wie Angst und Depressivität, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme usw. abzubauen,
     

  • den Betroffenen dabei zu unterstützen, das Trauma als Teil der Lebensgeschichte zu integrieren und neuen Sinn im Leben zu finden, und
     

  • sein psychosoziales Funktionsniveau zu verbessern und insbesondere die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.

Zunächst wird der Therapeut den Patienten, wenn möglich unter Einbeziehung der Familie oder anderer Bezugspersonen, ausführlich über die Erkrankung aufklären und ein geeignetes Therapiekonzept vorschlagen. Ist der Patient ausreichend gefestigt, muss er sich Schritt für Schritt mit seinen traumatischen Erlebnissen und den damit verbundenen Erinnerungen auseinandersetzen. Gemeinsam mit dem Therapeuten wird er sie bearbeiten und in seine Biographie einordnen, um letztlich einen Schlusspunkt setzen zu können. Dazu gehört auch das Erlernen von Strategien, um eventuellen Rückfällen vorbeugen zu können.

Als wirksame Traumabearbeitungsverfahren haben sich vor allem die kognitive Verhaltenstherapie und EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) erwiesen, sowie andere Verfahren:

Prolonged Exposure Therapy (PE)

Bei der Prolonged Exposure Therapy (PE) steht die sogenannte Exposition im Zentrum der Behandlung: Der Patient versetzt sich in der Therapiestunde imaginativ in die traumatische Situation zurück und durchlebt das Trauma mit allen dazugehörenden unangenehmen Gefühlen noch einmal. Die Therapiesitzung wird auf Tonband aufgenommen, und die Patienten erhalten die Aufgabe, sich diese Aufzeichnung zu Hause täglich anzuhören. Bei wiederholter Anwendung dieser Technik klingen die anfänglich heftigen emotionalen Reaktionen ab und die PTBS-Symptome treten in den Hintergrund.

Cognitive Processing Therapy (CPT)

Bei der Cognitive Processing Therapy (CPT) gibt es ebenfalls Exposition, hier in Form einer schriftlichen Hausaufgabe. Im Vordergrund steht bei der CPT jedoch die Bearbeitung sogenannter dysfunktionaler Kognitionen, vereinfacht gesagt von Denkfehlern. Hierzu werden Methoden der kognitiven Umstrukturierung (z.B. sokratischer Dialog) eingesetzt. Das Ziel dieses Verfahrens ist eine Modifikation dysfunktionaler Bewertungen kognitiv-affektiver Aspekte des Traumas (z.B. Schuld- oder Schamgefühle).

EMDR-Therapie

Bei der EMDR-Therapie führt der Patient unter Anleitung der Therapeutin ruckartige horizontale Augenbewegungen durch, während er die traumatische Erfahrung imaginiert. EMDR ist ähnlich wirksam wie andere kognitiv-verhaltensorientierte Ansätze. Der Wirkmechanismus ist nicht bekannt.

Narrative Exposure Therapy (NET)

Die Narrative Exposure Therapy (NET) kombiniert Elemente der Testimony Therapy mit klassisch verhaltenstherapeutischen Expositionsmethoden. Anstatt ein einzelnes Erlebnis zu bearbeiten, wird der Patient gebeten, seine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Dabei liegt der Fokus auf dem detaillierten Bericht der Traumata. Werden nicht verarbeitete Traumata angesprochen, können diese mit Hilfe einer Exposition in sensu bearbeitet werden. Ziele dieses Vorgehens sind die Habituation an die Angstreaktionen, die Reduktion der PTSD-Symptomatik sowie die Einordnung der Traumata in eine detaillierte und konsistente Lebensgeschichte.

Brief Eclectic Psychotherapy for PTSD (BEPP)

Die Brief Eclectic Psychotherapy for PTSD (BEPP) stellt einen multimodalen Therapieansatz unter Ein-bezug vor allem kognitiv-verhaltenstherapeutischer und psychodynamischer Elemente dar. BEPP umfasst 16 Therapiesitzungen und beinhaltet fünf zentrale Elemente, nämlich (1) Psychoedukation, (2) Exposition, (3) Schreibaufgaben und die Arbeit mit Erinnerungsstücken, (4) Bedeutungszuschreibung und Integration, und (5) ein Abschiedsritual.

Es gibt Situationen, in denen die traumabearbeitenden Verfahren nur eingeschränkt eingesetzt werden können - etwa bei sehr schlechtem körperlichem oder psychischem Gesundheitszustand des Patienten, oder bei mangelnder Unterstützung im Umfeld. Grundvoraussetzung für den Therapiebeginn ist eine minimale Stabilität des Patienten. Unabdingbar für die Stabilisierung sind Lebensumstände, in denen sich der Patient vor weiterer Traumatisierung sicher fühlt. Stehen zusätzliche psychische Störungen im Vordergrund, wie etwa eine schwere Depression oder eine Substanzabhängigkeit, sollten diese vor Beginn einer traumabearbeitenden Therapie behandelt werden.

Begleitend zur Psychotherapie können Antidepressiva der neuen Generation - sogenannte selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRI) - nötig und hilfreich sein. Aufgrund ihres Abhängigkeitspotenzials sollten angstlösende (Anxiolytika) oder beruhigende (sedierende) Pharmaka (Hypnotika) in der Regel nur kurzzeitig zum Einsatz kommen.

Unterstützende Behandlungsmöglichkeiten

In den Gesamtbehandlungsplan werden nicht selten kreative Ansätze wie Musiktherapie oder Kunsttherapie, sowie Bewegungstherapie und andere Methoden zur Verbesserung von Körperhaltung und Bewegungsabläufen (Feldenkrais, Qi Gong, Ergotherapie) integriert.

Mittels Entspannungstechniken (Yoga, autogenes Training) oder dem Biofeedbackverfahren lernt der Patient seine Symptome besser zu steuern. Falls erforderlich, erhält der Betroffene im Rahmen der Therapie Unterstützung bei einer beruflichen bzw. sozialen Neuorientierung, Trauerverarbeitung oder Problemen in der Partnerschaft.

bottom of page